Honorarverhandlungen für Projektjuristen: Wie Sie Ihren Wert selbstbewusst kommunizieren

Die Anfrage klingt vielversprechend. Ein spannendes Projekt, ein namhafter Auftraggeber, eine Aufgabe, die perfekt zu Ihrer Expertise passt. Dann kommt die Frage nach Ihrem Tagessatz. Und plötzlich wird es unangenehm. Zu hoch, und der Auftrag ist weg. Zu niedrig, und Sie ärgern sich wochenlang über sich selbst. Wie also findet man die richtige Antwort?

Honorarverhandlungen gehören zu den heikelsten Momenten für selbstständige Projektjuristen. Anders als bei Festanstellungen gibt es keine festen Gehaltsbänder oder transparente Tarifsysteme. Sie müssen Ihren Wert selbst bestimmen und dann auch noch überzeugend kommunizieren. Das fällt vielen schwer, besonders am Anfang der Selbstständigkeit. Doch es ist eine Fähigkeit, die Sie lernen und verfeinern können.

Warum sich viele Projektjuristen unter Wert verkaufen

Die juristische Ausbildung bereitet auf vieles vor, aber sicher nicht auf Preisverhandlungen. Hinzu kommt eine Kultur, in der über Geld ungern gesprochen wird. Das Ergebnis: Viele Projektjuristen orientieren sich an dem, was andere angeblich verdienen, oder sie nennen eine Zahl, von der sie glauben, dass sie den Auftraggeber nicht abschreckt.

Beide Ansätze führen oft dazu, dass Sie zu wenig verlangen. Sie vergleichen sich mit dem falschen Maßstab oder unterschätzen den Wert, den Sie liefern. Ein Beispiel: Ein Unternehmen sucht dringend Unterstützung bei einer komplexen Vertragsverhandlung. Die Alternative wäre, eine große Kanzlei zu beauftragen, die das Vierfache kostet und drei Wochen Vorlauf braucht. Sie dagegen können sofort starten und kennen sich in genau diesem Bereich bestens aus. Ihr Wert liegt nicht nur in Ihrer juristischen Arbeit, sondern auch in Ihrer Verfügbarkeit, Ihrer Spezialisierung und Ihrer Flexibilität.

Ein weiterer Grund für zu niedrige Honorare: die Angst vor Ablehnung. Niemand hört gerne ein Nein. Doch wenn Sie Ihren Preis präventiv senken, um ein Nein zu vermeiden, gewinnen Sie nur scheinbar. Sie bekommen zwar den Auftrag, aber zu Konditionen, die Sie langfristig frustrieren und Ihre wirtschaftliche Grundlage schwächen.

Der Unterschied zwischen Preis und Wert

Viele Honorargespräche scheitern, weil über Preise statt über Wert gesprochen wird. Ein Tagessatz ist eine Zahl. Aber diese Zahl bedeutet unterschiedliche Dinge, je nachdem, welches Problem Sie lösen. Wenn Sie einen Standardvertrag prüfen, ist Ihr Wert anders als wenn Sie eine existenzbedrohende Compliance-Lücke schließen.

Erfolgreiche Projektjuristen lernen, ihre Leistung in den Kontext des Auftraggebers zu setzen. Was kostet es das Unternehmen, wenn das Problem nicht gelöst wird? Welche Risiken werden minimiert? Wie viel Zeit sparen die internen Teams durch Ihre Unterstützung? Wenn Sie diese Fragen beantworten können, fällt es Ihnen leichter, Ihr Honorar zu rechtfertigen.

Ein praktisches Beispiel: Ein Mittelständler muss seine Datenschutzstruktur binnen sechs Monaten überarbeiten, sonst drohen empfindliche Bußgelder. Die interne Rechtsabteilung ist überlastet, externe Kanzleien sind ausgebucht. Sie bieten an, das Projekt zu übernehmen. Ihr Tagessatz mag dem Geschäftsführer zunächst hoch erscheinen. Doch wenn Sie verdeutlichen, dass die Alternative ein sechsstelliges Bußgeld sein könnte, relativiert sich die Summe schnell.

Ihre Kostenstruktur realistisch kalkulieren

Bevor Sie überhaupt in Verhandlungen gehen, müssen Sie Ihre eigenen Kosten kennen. Als Selbstständiger haben Sie keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine betriebliche Altersvorsorge, keine bezahlten Urlaubstage. Sie zahlen Ihre Krankenversicherung selbst, bilden Rücklagen für Steuer und Altersvorsorge und tragen unternehmerische Risiken.

Rechnen Sie ehrlich durch, was Sie monatlich zum Leben und Arbeiten brauchen. Dazu gehören nicht nur Miete und Lebenshaltungskosten, sondern auch Versicherungen, Fortbildungen, Büromaterial, Software, Steuerberatung und vieles mehr. Vergessen Sie nicht die Zeit, die Sie in Akquise, Verwaltung und unbezahlte Projektanbahnung investieren. Wenn Sie zwanzig Tage im Monat abrechenbare Arbeit leisten, müssen diese zwanzig Tage dreißig Tage finanzieren.

Diese Kalkulation ist Ihr Fundament. Wenn Sie wissen, was Sie mindestens verdienen müssen, können Sie souveräner verhandeln. Sie müssen nicht jeden Auftrag annehmen, und Sie können klar entscheiden, welche Projekte sich für Sie rechnen und welche nicht.

Wie Sie Ihren Tagessatz bestimmen

Es gibt keine Universalformel für den richtigen Tagessatz. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle: Ihre Erfahrung, Ihre Spezialisierung, die Marktsituation, die Region, die Branche des Auftraggebers. Trotzdem gibt es einige Anhaltspunkte, die Ihnen bei der Orientierung helfen.

Recherchieren Sie, was in Ihrem Fachgebiet üblich ist. Sprechen Sie mit anderen Projektjuristen, lesen Sie Branchenberichte, schauen Sie sich Plattformen an. Gleichzeitig sollten Sie sich nicht sklavisch an Durchschnittswerten orientieren. Wenn Sie über besondere Expertise verfügen oder in einem Engpassbereich arbeiten, können und sollten Sie mehr verlangen.

Berücksichtigen Sie auch die Art des Projekts. Ein standardisiertes Vertragsreview rechtfertigt einen anderen Satz als ein hochkomplexes M&A-Projekt. Kurzfristige Einsätze dürfen teurer sein als langfristige Mandate, weil Sie weniger Planungssicherheit haben. Und bei Projekten, die außerhalb Ihrer üblichen Arbeitszeiten stattfinden oder hohe Reisebereitschaft erfordern, sollten Sie entsprechende Zuschläge einkalkulieren.

Die Verhandlung selbst: Souverän bleiben

Wenn Sie Ihren Tagessatz nennen, tun Sie das klar und ohne Rechtfertigung. Sagen Sie die Zahl und schweigen Sie dann. Viele machen den Fehler, sofort nachzuschieben, warum der Preis gerechtfertigt ist, oder schlagen gleich selbst einen Rabatt vor. Damit signalisieren Sie Unsicherheit und laden den Auftraggeber ein, nachzuverhandeln.

Natürlich wird nicht jeder Auftraggeber Ihren Preis sofort akzeptieren. Manche werden nachfragen, verhandeln wollen oder Vergleichsangebote ins Spiel bringen. Das ist normal und kein Grund zur Panik. Hören Sie zu, bleiben Sie freundlich, aber weichen Sie nicht reflexartig zurück. Fragen Sie nach den Bedenken. Oft steckt hinter einem „Das ist uns zu teuer“ etwas anderes: ein begrenztes Budget, Unsicherheit über den Projektumfang oder einfach die Gewohnheit, erst mal zu verhandeln.

Wenn Sie Ihren Preis senken, tun Sie das niemals ohne Gegenleistung. Reduzieren Sie stattdessen den Leistungsumfang, verkürzen Sie die Projektdauer oder ändern Sie andere Parameter. Das zeigt, dass Sie Ihre Arbeit wertschätzen und nicht beliebig verhandelbar sind. Gleichzeitig bleibt die Wertigkeit Ihrer Leistung gewahrt.

Wann Sie Nein sagen sollten

Nicht jedes Projekt ist es wert, angenommen zu werden. Wenn ein Auftraggeber Ihren Mindestpreis nicht zahlen kann oder will, haben Sie zwei Optionen: Sie lehnen ab, oder Sie verhandeln andere Vorteile aus. Langfristige Zusammenarbeit, Referenzen, Empfehlungen, interessante Lernerfahrungen – solche Faktoren können einen niedrigeren Tagessatz rechtfertigen.

Aber Vorsicht vor der Falle der Hoffnung. Manche Auftraggeber versprechen Folgeaufträge oder großartige Kontakte, liefern dann aber nichts. Wenn Sie unter Wert arbeiten, tun Sie das nur für konkrete, überprüfbare Gegenleistungen, nicht für vage Versprechungen. Und machen Sie sich klar: Wer Sie billig haben will, schätzt Ihre Arbeit selten wirklich.

Ein weiterer Grund zum Neinsagen: Projekte, die von Anfang an schlecht aufgesetzt sind. Unklare Ziele, fehlende Entscheidungsstrukturen, unrealistische Zeitpläne. Solche Mandate enden fast immer in Frust, egal wie gut das Honorar ist. Lernen Sie, die Warnsignale zu erkennen und im Zweifel dankend abzulehnen. Jeder Auftrag, den Sie annehmen, blockiert Zeit für bessere Gelegenheiten.

Ihre Preise im Laufe der Zeit anpassen

Ihr Tagessatz ist nicht in Stein gemeißelt. Mit wachsender Erfahrung, vertiefter Spezialisierung und einem besseren Ruf können und sollten Sie Ihre Preise erhöhen. Viele Projektjuristen bleiben über Jahre bei demselben Satz, obwohl sie längst mehr wert sind. Das ist verschenktes Geld.

Überprüfen Sie Ihre Preise regelmäßig, mindestens einmal jährlich. Vergleichen Sie mit dem Markt, berücksichtigen Sie Inflation und Kostensteigerungen, und bewerten Sie ehrlich, was sich in Ihrer Expertise getan hat. Wenn Sie feststellen, dass Sie permanent ausgebucht sind und Anfragen ablehnen müssen, ist das ein deutliches Signal: Ihre Preise sind zu niedrig.

Bei Bestandskunden sollten Sie Preiserhöhungen rechtzeitig und transparent kommunizieren. Niemand wird überrascht gerne mit höheren Kosten konfrontiert. Kündigen Sie Anpassungen einige Monate im Voraus an und erklären Sie, warum Sie die Erhöhung vornehmen. Die meisten langjährigen Auftraggeber werden das akzeptieren, weil sie Ihre Arbeit schätzen und den Aufwand einer Neubesetzung scheuen.

Ihre wichtigsten Takeaways

Kennen Sie Ihre Kosten und Ihren Mindestsatz. Nur wenn Sie wissen, was Sie verdienen müssen, können Sie souverän verhandeln. Rechnen Sie realistisch und vergessen Sie nicht die unsichtbaren Kosten der Selbstständigkeit.

Sprechen Sie über Wert, nicht nur über Preis. Ihr Tagessatz ist nur eine Zahl. Entscheidend ist, welches Problem Sie lösen und welcher Nutzen daraus entsteht. Machen Sie diesen Nutzen sichtbar.

Nennen Sie Ihren Preis klar und schweigen Sie dann. Rechtfertigen Sie sich nicht präventiv und bieten Sie keine Rabatte an, bevor überhaupt verhandelt wird. Zeigen Sie Selbstbewusstsein.

Senken Sie Preise nur gegen konkrete Gegenleistungen. Wenn Sie nachgeben, reduzieren Sie den Umfang oder verhandeln Sie andere Vorteile aus. Ihre Arbeit hat einen Wert, der nicht beliebig verhandelbar ist.

Sagen Sie Nein zu schlechten Deals. Nicht jedes Projekt ist es wert, angenommen zu werden. Billige Auftraggeber und schlecht aufgesetzte Mandate kosten Sie mehr, als Sie einbringen. Schützen Sie Ihre Zeit und Energie für die richtigen Gelegenheiten.

Honorarverhandlungen sind keine Glückssache, sondern eine Fähigkeit. Je öfter Sie verhandeln, desto sicherer werden Sie. Und je klarer Sie Ihren eigenen Wert erkennen und kommunizieren, desto erfolgreicher werden Sie als Projektjurist sein. Es geht nicht darum, möglichst teuer zu sein, sondern angemessen bezahlt zu werden für den Wert, den Sie liefern. Das ist keine Gier, sondern professionelle Selbstachtung.

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